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Maureen O’Kelly
EINE ETWAS ANDERE PIROSKA 2011
Ein (Fast)Monodrama fürs
Kammertheater
Alle Rechte der Verbreitung und Übersetzung, auch durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art sind vorbehalten.
© 2011 Maureen O’Kelly
Brigitte WELCKER
A-2522 Oberwaltersdorf, Trumauer Strasse 20/6
welcker.brigi@gmail.com
www.okelly-regenyek.gportal.hu
+ 43 / (0) 6769 226 028 + 36 / 30 - 249 05 64
Anmerkung der Autorin:
Dieses Stück basiert in groben Zügen auf meinem eigenen, allerdings noch
ein bißchen komplizierterem Lebenslauf, sollte es Ihr Interesse erweckt haben,
kontaktieren Sie mich bitte am Besten unter meiner E-Mail Adresse.
Für alle weiteren Fragen stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur
Verfügung!
Das Stück ist für eine Kammerspiel-Bühne konzipiert (kann aber auch z.B. in
einem Kulturhaus gespielt werden).
Auditorium UND Künstlereingang, Aufgang zur Bühne, usw. BARRIEREFREI
oder freimachbar.
Die Grundidee ist, dass behinderte und nichtbehinderte Darsteller
zusammenarbeiten, dass auch das Publikum gemischt ist, und dass Verständnis,
Integration und Toleranz im Vordergund stehen.
Brigitte Welcker
2011
Darsteller (7-8):
Piroska: anfangs
15 Jahre alt, später 20, dann zwischen 30 und 40 (Altstimme oder Playback)
Piroskas Mutter: über 50
Anwalt, ca. 50 (eventuell
körperbehindert)
Feri, Piroskas
Mann, 25-30
Anna, Piroskas
Nachbarin, ca. 30 (eventuell leicht geistig/körperlich behinderte Darstellerin)
Kati, Piroskas
Freundin, 25-35
Rita (eventuell
Viktor) (ein Paar Rollstuhltänzer)
Für die Filmprojektion:
Personen: Piroska, Mutter, Herzog auf Rappen, eine
Tanznummer der Rollstühltänzer, Freunde, Statisten, Gesangslehrerin
Orte der Aufnahmen: Brücke über die Theiss bei Poroszló, eine
Strasse, Hortobágy, Waldecke mit Hütte, Velo tanya, Theaterfoyer und Innenraum,
Restaurant, Klavier-Zimmer, ein Ort, an welchem die Mutter Piroska im Rollstuhl
schiebt
Film- bzw.
Diaprojektion:
Standbild: 5 Jahre später
Negative Beispiele: 1. hohe Bordsteinkante 2.
auf Behindertenparkplatz parkendes nichtberechtigtes Auto, 3. Stufen zu einer
Behörde, 4. zu steile Rampe, 5. nicht abschließbares WC
Positive Beispiele: 1. Parasport, 2. Rollstuhltanzgruppe,
3. Blindenhunde, 4. Barrierefreiheit, 5. hilfreiche Mitbürger
Szeneneinteilung
I.
AUFZUG
- Szene PIROSKA, MUTTER
- Szene PIROSKA,
MUTTER
- Szene PIROSKA,
ANWALT
II.
AUFZUG
- Szene PIROSKA,
FERI
- Szene PIROSKA,
FERI
- Szene PIROSKA,
ANNA
- Szene PIROSKA,
ROLLSTUHLTÄNZER
- Szene -
nur Projektion -
- Szene PIROSKA
- Szene -
nur Projektion –
III.
AUFZUG
- Szene PIROSKA
- Szene KATI
- Szene PIROSKA,
KATI
- Szene PIROSKA
- Szene PIROSKA, RITA
- Szene PIROSKA
BAUTEN,
REQUISITEN
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AUFZUG/Szene
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BAUTEN
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REQUISITEN
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I/1
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Piroskas
Kinderzimmer: 1 Tür, Schreibtisch mit Schublade,
Stuhl, Schrank, Bücherregal, Pferdebilder, Pferdebücher, schmales Bett
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Recorder, Kazette, Plüsch-Pferd
Schreibtisch und Zubehör, Papierkorb, flauschige Bett-Tagesdecke, Bettzeug,
usw. Aufnahme: Strangers in the night –
Sinatra singt
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I/2
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wie vor
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Brief, Umschlag, Plüsch-Pferd, Stoß leeres
Papier, Kleber, Brieföffner, Kugelschreiber, Müllsack
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I/3
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Kanzlei:
3 Türen, Schreibtisch, PC, Aktenschrank, Kleiderständer
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Dickes Telefonbuch, Telefon, Tasse,
Untertasse, Servierplatte, Zuckerschale, Milchkanne, Schreibtischzubehör,
Akten, usw.
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II/1
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Wohnung
in Ungarn: 1 Tür, Doppelbett, Kleiderschrank,
Kommode, Wandspiegel, Tisch, Stühle, ungarischer Wandbehang
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Krug, Gläser, Tages-Bettdecke, ungarisch
bestickte Kissen, Tischdecke
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II/2
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wie vor
|
Grosse Sporttasche, Männerkleidung im
Schrank
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II/3
|
wie vor
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Brief, Umschlag, Papierkorb
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II/4
|
Bühne (leer)
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1 Stuhl
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II/5
|
-
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-
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II/6
|
Leere
Bühne
|
Mobiltelefon
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II/7
|
-
|
-
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III/1
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Piroskas
Wohnung: 2 Türen, schmales Bett, Schrank,
Bücherregal, Tisch, Stuhl, Nachttisch
|
Mobiltelefon, Wechselkleidung, Schuhe,
Lampe, Bettzeug, Bücher
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III/2
|
wie vor
|
Koffer, Tasche, Bücher, Rechnung,
Stöckelschuhe, Telefon
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III/3
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wie vor
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Aktiv-Rollstuhl
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III/4
|
wie vor
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Aktiv-Rollstuhl, Bücher
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III/5
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Bühne: in der Mitte durchsichtiger Vorhang
|
Aktiv-Rollstuhl, Mikrofon, nur Musik: Strangers
in the night –Piroska singt oder Playback
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III/6
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Konferenzraum:
niedriges Pult,
im Hintergrund ungarische und EU Fahnen
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Aktiv-Rollstuhl, Mikrofone, Mappe, Papier auf
dem Pult
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KOSTÜME
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AUFZUG/Szene
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DARSTELLER/IN
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KOSTÜM
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I/1
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PIROSKA
(blond)
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unvorteilhafter
Schlafanzug, dann unschickes T-Shirt, Rock, flache Sandalen
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MUTTER
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vornehmes
Kleid 1. Stöckelschuhe, Schmuck
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I/2
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PIROSKA
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unschickes
Oberteil, Rock, flache Sandalen
|
|
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MUTTER
|
vornehmes
Kleid 2. Stöckelschuhe, Schmuck
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I/3
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PIROSKA
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schwarzer,
strenger Rock, weisse strenge Bluse, wenig Schmuck, schwarze flache Schuhe
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ANWALT
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Anzug,
Talar, schwarze Schuhe
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II/1
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PIROSKA (schwarzhaarig)
|
mädchenhaftes
Sommerkleid, Küchenschürze, Sandalen
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FERI
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Langärmeliges
buntes Hemd, Jeans, Westernstiefel
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II/2
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PIROSKA
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wie
vor
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FERI
|
wie
vor aber ein Ärmel zerrissen
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II/3
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PIROSKA
|
wie
vor aber ohne Schürze
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ANNA
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Sommerkleid,
Sandalen
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II/4
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PIROSKA
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Langer
Rock, schönes Oberteil (unsichtbar) unter dem Blazer, Stöckelschuhe, Schmuck
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ROLLI-TÄNZERIN
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wie
auf der Projektion
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II/5
|
-
|
-
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II/6
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PIROSKA
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Kurzer
Rock, kein Blazer, sonst wie vor
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II/7
|
-
|
-
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III/1
|
PIROSKA (rothaarig)
|
Schöner
Pyjama, dann Hose, Oberteil, Schuhe
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III/2
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KATI
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Rock,
Bluse, Schuhe, Schmuck
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III/3
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PIROSKA
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Hose,
Oberteil, anderes Oberteil, Blazer, Schuhe, Schmuck
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|
KATI
|
Sommerkleid,
Sandalen, Schmuck
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III/4
|
PIROSKA
|
wie
vor, darüber weites Nachthemd
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III/5
|
PIROSKA
|
Festliche
schwarze Hose, festliches Oberteil, schöne flache Schuhe, festlicher Schmuck
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RITA
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Tanzkleid,
Schuhe
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III/6
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PIROSKA
|
wie
vor, Blazer
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I.
AUFZUG
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1.
Szene
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Vorhang geht auf.
Über der Vorbühne (evtl. vor dem Vorhang)
Leinwand für Projektion.
Wohnung der Familie Piroskas. Westdeutsche
Mittelschicht. Kinderzimmer. Hinten Tür. Piroska ca. 15 Jahre alt, hübsch,
blond, sehr introvertiert. In einem strengen Schlafanzug.
Aus dem Kasettenrecorder leise „Strangers in the
night“ gesungen von Frank Sinatra. Piroska singt noch leiser mit. Plötzlich
fliegt die Tür auf, die Mutter, eine schon ältere Frau, rauscht herein.
Piroska zuckt zusammen und hört mit dem Singen auf.
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|
mutter
|
Wer so
eine scheussliche Stimme hat, wie du, darf einfach nicht singen!
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|
piroska
|
Aber
Mutter, ich hab doch nur mein Lieblingslied ein bisschen begleitet – und war
auch ganz, ganz leise!
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|
mutter
|
Trotzdem!
Ich will dich nie wieder singen hören! Schluss und vorbei!
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|
Mutter raus, schlägt hinter sich die Tür zu.
Piroska macht den Recorder aus, wirft die Kasette in den Papierkorb, tut den
Recorder in den Schrank.
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|
piroska
|
Selbst
diese kleine Freude ist mir nicht mehr vergönnt. Wozu lebe ich eigentlich?
Nur lernen, lernen, lernen und das tun, was die Mutter für richtig hält.
Zählt an den Fingern ab:
Balett – schon
seit 12 Jahren Pflicht, obwohl ich es hasse. Meine Zehen sind blutig,
Ballerina will ich eh nicht werden, dazu bin ich viel zu dick, wie Mutter
immer sagt, aber sie läßt es nicht zu, dass ich damit aufhöre, weil sie ihrer
alten Balettmeisterin nicht eingestehen will, dass ihre Tochter das Balett
hasst!
Flöte – Privatstunden,
nur damit ich keine anderen Leute treffe. An Wettbewerben teilnehmen und
täglich üben, aber wozu? Sie hat mich nie gefragt, was MIR eigentlich Spass
machen würde – zum Beispiel Klavierspielen. Aber das ist ihr wohl zu teuer. –
Und was war das für ein Skandal, als ich Gitarre spielen wollte! „Willst wohl
ein drogensüchtiger Rocker werden?“ schrie sie und gab mir eine schallende
Ohrfeige.
Turmspringen
– letztens, als ich mich beinahe schwer verletzt habe, als ich mit dem Rücken
aus zehn Metern Höhe aufs Wasser kam, da ist sie etwas erschrocken –
vielleicht lässt sie sich ja dazu überreden, dass ich damit aufhören kann…
Aber was
es auch ist, sie behauptet immer steif und fest, dass sie es nur mir zuliebe
tut, weil sie nur das Beste für mich will – und nur sie weiss, was das ist!
Und jetzt
werde ich auch wohl nie mehr singen.
Bereitet sich aufs Schlafengehen vor, im Bett
ein Plüschpferd. Schläft ein.
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|
Projektion – Alptraum
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|
Piroska verlässt ihr Heim,
sichtbar heimlich.
Piroska schleicht über eine
Strasse.
Lichter, kreischende Reifen,
Knall, Schwarz.
Piroska im Rollstuhl, ihre Mutter
schiebt sie.
Mutter: „Jetzt siehst du wohl ein, dass du mir
nicht entkommen kannst! Du bist ein hilfloser Krüppel und bis zum Lebensende
auf mich angewiesen!”
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|
piroska
|
Piroska wacht weinend auf.
Mein Gott!
Warum habe ich immer diesen Alptraum, wenn meine Mutter wieder einen Teil
meiner Seele hat absterben lassen? Kann ich ihr denn nie entkommen? Ich lebe
doch sowieso schon wie in einem Gefängnis. Keine Freundinnen und schon gar
keine Freunde. Alleine darf ich niergendwo hin, Mutter ist immer dabei,
begleitet mich, wartet, nimmt mich wider mit, sogar ins Gymnasium. Ich habe
keinen Schlüssel zur Haus- oder Gartentür. Sie kauft alles für mich ein, auch
meine Kleider. Und wie oft lachen mich meine Mitschüler deswegen aus! „Altbacken“
und „Mutterkind“ sind noch die geringsten Ausdrücke, die ich hören muss.
Die
Wochenenden und Ferien sind genauso schlimm. Überallhin geht es nur „in
Familie“, unter ständiger Bewachung, demit ich bloss nicht mit „diesem Plebs“
in Berührung komme! Dabei sind wir doch garkeine besondere Familie!
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|
mutter
|
Von draussen
Piroska!
Aufstehen! Frühstück! Vor der Schule will ich noch überprüfen, ob du das
Gedicht auch wirklich gut kannst. Und vor dem Mittagessen will ich dann das
Flötenstück hören, damit du mir beim Wettbewerb am Samstag keine Schande
bereitest!
|
|
piroska
|
Laut
Zu Befehl!
Umarmt das Plüschpferd, gibt ihm Küsschen. Steht
auf. Zieht sich hinter der Schranktür um. Kommt in unansehnlicher Kleidung
hervor.
Zu sich selbst:
Nie sagt
mir jemand, dass ich hübsch bin – aber in dem Zeug bin ich es ja auch nicht!
Seufzt
Und
Mutter bläut mir immer wieder ein, dass ich nichts kann, zu nichts gut genug
bin, ich darf keine eigenen Erfahrungen sammeln und nur das geschieht, was
SIE für richtig hält! Vater redet nie drein, der beschäftigt sich nur mit
seiner Arbeit, für seine Tochter hat der keine Zeit.
Wie kann
ich diesem Leben nur entfliehen?
Laut
Ich komme
schon!
Raus
Vorhang.
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I.
AUFZUG
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2.
Szene
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Projektion - „5 Jahre später“
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Vorhang auf.
Mutter stöbert (heimlich) im Kinderzimmer in der
Schreibtisch-Schublade. Findet einen Brief. Öffnet ihn, liest, reagiert
indigniert, klebt den Umschlag wieder zu und legt ihn zurück. Schaut in den
Schrank. Untersucht das Regal. Nimmt das Plüschpferd vom Bett, Ekel im
Gesicht. Will gerade aus der Tür, als Piroska eintritt. Piroska mit neuer
Frisur, unansehnlichen Kleidern. Sieht das Pferd in den Händen ihrer Mutter.
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piroska
|
Mutter!
Was soll das? Was machst du mit meinem Pferd?
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|
mutter
|
Du bist
erwachsen genug, und brauchst kein Spielzeug mehr!
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piroska
|
Das Pferd
bleibt hier! Alles andere hast du ja schon vor Jahren weggeschmissen! Das
Pferd geb ich nicht her!
Sie will das Pferd aus den Händen ihrer Mutter reißen,
das gelingt nicht, aber sie bekommt eine große Ohrfeige.
|
|
mutter
|
Piroska! Wie
wagst du mit deiner Mutter zu reden? Hab Acht, das wirst du noch bereuen! Ich
will dich heute nicht mehr sehen! Aber morgen habe ich noch einiges mit dir
zu bereden!
Mutter raus, Tür zuknallen. Piroska sinkt auf
das Bett.
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|
piroska
|
Das kann
nicht wahr sein! Sie weiß doch, wie sehr ich an dem Pferdchen hänge! Das war
mein Lieblingsspielzeug – ich konnte zu ihm reden, wie zu einem
verständnisvollen Freund, ihm mein Herz ausschütten, wenn es schon keinen
Menschen gibt, dem ich meinen Kummer anvertrauen kann!
Und was
soll das heißen „ich habe noch einiges mit dir zu bereden“? Ich habe
ausgezeichnete Noten auf der Uni, in den Ferien arbeite ich dort, wohin sie
mich angewiesen hat, ich treffe keine Menschenseele, da sie mich noch immer
bringt und abholt, das heißt, es geschieht alles noch immer so, wie sie es
für richtig hält! Wo ist dann das Problem? Aber jetzt habe ich wenigstens
einen ganzen Tag vor mir, an dem ich ungestört weiter an meinem Roman schreiben
kann…
Steht auf, holt aus den Tiefen des Schrankes
einen Packen Papier, setzt sich an den Schreibtisch, beginnt zu schreiben,
dann geht ihr Blick in die Ferne.
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|
Projektion
– Schöner Traum
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Piroska allein in einer Waldhütte,
Kleidung ca. 17. Jh. Von draußen Hufgeklapper. Junger Mann in vornehmer Kleidung,
auch 17. Jh. schwarzes Pferd, reitet auf die Hütte zu. Piroska steht auf,
öffnet die Tür, glückliches Gesicht, als sie den Reiter sieht. Reiter lächelt
auch, breitet Arme zu ihr aus. Piroska geht auf ihn zu, ergreift seine Hand,
der Reiter hebt sie zu sich aufs Pferd, Kuss, Abritt.
Piroska öffnet die Augen, seufzt,
schreibt weiter.
Plötzlich wird die Tür aufgerissen,
Mutter rein.
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piroska
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Mutter! Du
hast mich aber erschreckt!
Legt schnell leere Seiten über ihr
Geschriebenes, aber die Mutter nimmt alles weg, und liest, trotz Piroska
Widerstand.
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mutter
|
Piroska!
Was ist denn das für ein Geschmier?
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piroska
|
Lass
mich, Mutter! Bitte! Ich schreibe nur ein bisschen!
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|
mutter
|
Was? Und
was soll das bitte geben, wenn es fertig ist?
Liest mit sarkastischer Betonung laut vor
„Und der
edle Prinz kam endlich auf seinem herrlichen Pferd und befreite das arme
Mädchen aus ihrem schrecklichen Leben und trug sie fort von der strengen
Mutter…”
Sie wendet sich fast hasserfüllt an ihre völlig
am Boden zerstörte Tochter.
Ich kann
es einfach nicht glauben, dass du dir so einen Schund ausdenken kannst! Aber
das beweist ja nur, dass du viel zu viel Freizeit hast! Ich werde schon etwas
unternehmen, dass dir die Flausen aus dem Kopf getrieben werden!
Sie beginnt die Papiere zu zerreißen.
Heb die
Fetzen auf und trag sie nach unten in den Müll! – Oh, noch etwas! Du wirst
natürlich nicht mit den Kommilitonen auf Studienreise gehen! Hast du
verstanden? Niemals! Nie!
Im Sturmschritt aus der Tür.
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|
|
Piroska hebt die Papierschnitzel auf, in den
Papierkorb. Ihr kommt ein Gedanke.
|
|
piroska
|
Woher weiß
Mutter, dass ich auf die Studienreise eingeladen wurde? Den Brief habe ich
doch persönlich auf der Uni erhalten, der war gar nicht im Briefkasten, den
sie ja jeden Tag kontrolliert.
Sucht schnell den Brief in der Lade. Betrachtet
ihn.
Also
doch! Sie spioniert mir nach! Öffnet meine Briefe! So hat sie es also
erfahren! Mein Gott, was kann ich denn noch tun, um ein noch so kleines
Privatleben zu haben?
Will gerade den Papierkorb raustragen, als die
Mutter wieder in der Tür steht.
|
|
mutter
|
Piroska,
ich habe mich entschlossen: da du ja scheinbar so viele freie Zeit hast,
wirst du ab nächster Woche bei einer Bekannten von mir Nähen lernen. Das kann
einer Frau nur gut tun. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass dich
irgendwann irgendwer zur Frau haben will. Aber du kannst ja wenigstens für
dich selbst billige Sachen anfertigen.
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|
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piroska
|
Aber
Mutter! Ich bitte dich! Ich würde lieber Sprachen lernen! Meine ehemalige
Französischlehrerin gibt Stunden in Spanisch, da würde ich gerne hingehen.
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|
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|
|
mutter
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Piroska!
Du weißt ganz genau, dass ich diese Person nicht ausstehen kann! Schon im
Gymnasium fand ich sie unausstehlich und weiß gar nicht, warum du so einen
Narren an ihr gefressen hast? Damals konnte ich es nicht ändern, aber jetzt
verbiete ich dir, auch nur in Kontakt mit dieser Person zu kommen! Aus –
Schluss! Du lernst Nähen!
Nimmt den Papierkorb aus den Händen Piroskas,
raus. Piroska steht mit verblüfftem Gesichtsausdruck da, geht langsam zu
Bett, legt sich darauf.
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|
|
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Projektion
- Alptraum
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|
Piroska verlässt ihr Heim,
sichtbar heimlich.
Piroska schleicht über eine Straße.
Lichter, kreischende Reifen, Knall,
Schwarz.
Piroska im Rollstuhl, ihre Mutter
schiebt sie.
Mutter: „Jetzt siehst du wohl ein, dass du mir
nicht entkommen kannst! Du bist ein hilfloser Krüppel und bis zum Lebensende
auf mich angewiesen!”
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|
piroska
|
Piroska wacht weinend auf.
Nein,
nein und nochmal nein! Es MUSS einen Ausweg geben! Ich kann es nicht
ertragen, dass Mutter mein Leben auf unendliche Zeiten bestimmt! Dass nur IHR
Wille zählt! Ich muss aus diesem Gefängnis entkommen! Schließlich bin ich ja
volljährig! – Aber wie nur? Wie?
Vorhang
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I.
AUFZUG
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|
3.
Szene
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Projektion (Szenenumbau) – Piroska auf der Theissbrücke, in der Puszta, usw.
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|
Vorhang auf.
Piroska in einem Büro. Schreibtisch, dickes
Telefonbuch, alter PC, Aktenregale, Telefon, 3 Türen, Kleiderständer. Telefon
klingelt, Piroska hebt ab.
|
|
piroska
|
Anwaltskanzlei,
wie kann ich ihnen behilflich sein?
Nimmt gewissenhaft Notizen auf.
Frau
Müller, der Herr Rechtsanwalt wird innerhalb einer Stunde zurücksein, dann
wird er sie zurückrufen.
Hört zu.
Ja, genau.
Auf
Wiederhören.
Die Eingangstür geht auf, älterer Anwalt kommt.
In der Hand Aktentasche, auf dem Arm den Talar, den hängt er an den
Kleiderständer.
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|
piroska
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Einen
schönen guten Tag, Chef.
|
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|
|
anwalt
|
Ihnen
auch, Fräulein Piroska. Alles in Ordnung?
|
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Piroska
|
Ja, Chef.
Die heutige Post liegt auf ihrem Schreibtisch, die eiligen Sachen habe ich
kenntlich gemacht, die heutigen Schriftstücke liegen in der
Unterschriftenmappe. Herr Fischer hat für morgen um einen Termin gebeten, ich
habe ihn für zwei Uhr vorgemerkt. Und Frau Müller wartet auf Ihren Rückruf in
der Scheidungssache.
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anwalt
|
Vielen
Dank! Ich werde sie sofort anrufen.
Piroska will gerade die Verbindung herstellen,
doch der Anwalt winkt ab.
Lassen
Sie nur, das mache ich selbst. Kochen Sie mir lieber einen guten, starken
Kaffee, die heutige Verhandlung bei Gericht war ziemlich anstrengend.
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|
piroska
|
Sofort,
Chef.
|
|
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Anwalt raus bei der 2. Tür. Piroska zur 3. raus,
kommt mit Tablett und Kaffeeservice zurück, zur 2. Tür raus. Kommt mit leeren
Händen zurück, setzt sich an den Schreibtisch, sucht im Telefonbuch.
Anwalt kommt aus 2. Tür. Piroska legt
Telefonbuch ab.
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|
piroska
|
Womit
kann ich Ihnen behilflich sein, Chef?
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anwalt
|
Fräulein
Piroska, seit Sie von Ihrer Reise nach Ungarn zurückgekommen sind, sind viel
stiller als vorher. Gibt es Probleme?
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piroska
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Oh, sehen
Sie, Chef, es gibt keine Probleme – nur – wie soll ich mich ausdrücken – das
glauben Sie mir sowie so nicht – keiner würde es mir glauben – aber Tatsache
ist, dass, als ich über die Theiss-Brücke kam, ich ein so starkes Gefühl
hatte, nach HAUSE zu kommen, als ob in diesem fremden Land, von dem ich
vorher noch nicht einmal gehört hatte – außer im Film Ich denke oft an
Piroska und der Operette die Tschardasfürstin - die HEIMAT meines Herzens und
meiner Seele läge. Bitte lachen Sie mich deswegen nicht aus!
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anwalt
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Keine
Angst, ich lache Sie nicht aus! Meine Frau hat auch so etwas erlebt, als wir einmal
in der Toskana waren. Aber dieses Gefühl geht bald vorbei!
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piroska
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Entschuldigung,
aber da muss ich Ihnen widersprechen! So ein starkes Gefühl, was aus dem
tiefsten Innern eines Menschen kommt, das geht nicht „einfach so“ vorüber! –
Ich jedenfalls habe mich entschlossen, meinem Gefühl nachzugeben und alles
daran zu setzen, um dorthin zu kommen und mein Leben dort fortzusetzen.
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anwalt
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Mein
Gott, wissen Sie denn nicht, dass das ein sozialistisches Land ist – Sie
müssen den Eisernen Vorhang überqueren! Sind Sie sich dessen bewusst, was das
bedeutet? Jeder Mensch dort wünscht sich, einmal – wenn auch vielleicht nur
für ein paar Tage – in den WESTEN zu gelangen und Sie wollen DORT LEBEN? Wie
stellen Sie sich das denn so vor?
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piroska
|
Ich habe
schon alles geplant. Anfangs kann ich ja nur für drei Monate als Tourist
dorthin gehen, aber das müsste ausreichen, um mich zu informieren und
Entscheidungen zu treffen.
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anwalt
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Ja
sprechen Sie denn ungarisch?
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piroska
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Nein,
aber ich habe so viele Sprachen gelernt, da kann es mir nicht schwerfallen
noch eine weitere mir zu Eigen zu machen, und bis dahin wird es mit Deutsch
wohl auch gehen.
Ich
wollte Sie nur darum bitten, mir zu erlauben, einige kurze Telefonate mit der
ungarischen Botschaft hier zu führen, wegen der Erlangung eines Visums.
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anwalt
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Selbstverständlich
können Sie von hier aus telefonieren, denn Sie arbeiten ja während der
Öffnungszeiten der Botschaft.
Er will gerade wieder in sein Büro gehen, als er
an der Tür stehen bleibt und sich umdreht.
Was sagen
denn Ihre Eltern zu diesen Plänen?
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piroska
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Zögert, dann leise
Meine
Eltern wissen noch nichts davon. Ich werde es ihnen zu gegebener Zeit
mitteilen – ganz sicher werden sie nicht sehr erfreut darüber sein.
Dann, als der Anwalt die Tür hinter sich
geschlossen hat, leise:
Das kann
ich erst dann sagen, wenn ich schon auf dem Weg nach Ungarn bin. Mutter wäre
fähig dazu, mich einzusperren oder sonst wie meine Pläne zu vereiteln. Aber
jetzt los!
Wählt eine Telefonnummer. Vorhang.
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I.
AUFZUG ENDE
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P A U S E
oder
schneller Umbau, Kostümwechsel, eventuell ungarische Volksmusik zur
Untermalung
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II.
AUFZUG
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1.
Szene
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Vorhang auf.
Piroska (schwarzhaarig!) und ihr Mann Feri im
Zimmer. Westlicher Stil, bürgerlich. Doppelbett, Kleiderschrank, Kommode,
darüber Spiegel, Tisch mit Wasserkrug und Gläsern, Stühle, ungarischer
Wandteppich, ungarische Stickereien.
Piroska in einfacher Kleidung, darüber
Küchenschürze, Feri Hemd mit Karo-Muster und Jeans, ein wenig betrunken.
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|
feri
|
Piroska,
wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich hier der Herr im Hause bin! Was
hast du dir dabei gedacht, einfach so zu meinem Chef zu gehen und ihn um
Arbeit zu fragen?
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Piroska
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Aber
Feri, du hast mir doch lang und breit erklärt, dass in diesem Land jeder
arbeiten muss.
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|
feri
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Ja, aber
ICH suche dir eine Arbeit, und spreche mit meinem Chef über die Einzelheiten!
Und denk immer daran: das Erste ist meine Bequemlichkeit, also die Hausarbeit
darf nicht darunter leiden, wenn du dann einen Beruf hast. Tiere füttern,
Gartenarbeit, Einkaufen, und wenn ich dich will…
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piroska
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Stopp!
Feri, ich bin nicht deine Sklavin, sondern deine Frau! Ich sage nichts, wenn
ich dich kaum zu Gesicht bekomme, und wenn du dann eintrudelst, dann hast du
schon mit deinen Kumpels getrunken. Ich ertrag es es stillschweigend, wenn du
mich nicht so behandelst, wie ein liebender Mann mit seiner Frau umgehen
sollte….
Feri ergreift plötzlich Piroskas Arm, hebt seine
Hand, wie zum Schlag
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feri
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Vor Hass heiser
Du! Gib
Acht! Was erlaubst du dir? Noch so ein Wort und du wirst es bereuen! Glaubst
du, du bist so attraktiv? Oder dass deine westliche Abstammung so viel Wert
ist? Ich hab geglaubt, du wärst reich, wie alle Westler, oder wenigstens
deine Eltern rücken was rüber, aber du hast ja noch nicht mal ein kleines
Auto!
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piroska
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Feri! Du
tust mir weh! Lass los!
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feri
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Es tut
weh? Soll es doch! Mir tut es auch weh, dass ich dich geheiratet habe! Dass
ich auf dein westliches Getue hereingefallen bin! Was glaubst du, was für
zynische Bemerkungen ich jeden Tag von meinen Kollegen zu hören kriege? Dass
du so arm bist, wie ich, und dass du dich schämst mich in den Westen zu
bringen!
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piroska
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Du irrst
dich sehr! Hier das Haus – das ist meines, die Einrichtung – habe ich von
zuhause mitgebracht. Und ich habe dir von Anfang an klargemacht, dass Ungarn
meine Heimat ist und ich hier leben will!
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feri
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Als ob er gar nicht hinhört, voller Hass
Das
Schönste war, als sie dich in meinem Beisein gelobt haben, dass du besser
reitest, als ich! Ich, der draufgängerischste, geschickteste Pferdehirte
Ungarns! Eine Schande! Dafür wirst du auch noch gestraft werden!
Stößt Piroska von sich.
Los, in
die Küche! Ich geh jetzt, aber wenn ich wiederkomme, will ich zu Abend essen.
Und zwar so, wie meine Mutter kocht, nicht so tiefgefrorenen Mist!
Eilt aus der Tür, Piroska rückt ihre Kleidung,
Haare zurecht, schaut in den Spiegel. Spricht träumerisch zu ihrem
Spiegelbild.
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piroska
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Ich hatte
einmal einen Traum, in dem ein junger Prinz mich auf sein Pferd nahm und von
der bösen Mutter wegbrachte. Und wir in gegenseitiger Achtung und Liebe
lebten, bis wir starben – aber die Wirklichkeit kam schon in der
Hochzeitsnacht an den Tag und jetzt zahle ich für meine Unerfahrenheit und
meine romantische Seele. Ich habe geglaubt, dass er es ehrlich meinte, als er
- der erste Mann in meinem Leben – mir sagte, er liebe mich! Ich dachte, wir
wären gleichrangige Partner – nicht Herr und Dienerin! Ich habe darauf
vertraut, dass ich ihm wichtiger sein werde, als seine Kumpel und das
Trinken, aber das Gegenteil ist eingetreten. Ich habe geglaubt, er ist
eifersüchtig, weil er mich liebt – aber er will mich nur beherrschen – und
ich weiß es ja schon lange, dass er mich mit jeder Dahergelaufenen betrügt.
Warum lasse ich mich dann nicht scheiden? Weil ich noch immer hoffe und an
meinen geleisteten Eid glaube. Lebe ehrenhaft, damit du in deiner letzten
Stunde dir in die Augen schauen kannst und sagen kannst: ich habe ein
vollständiges Leben gelebt, ohne schwarzen Fleck auf der Seele, wie es mir
einmal meine geliebte Oma gesagt hat – und diesen Rat trage ich noch immer in
meinem Herzen.
Dreht sich um und geht ab.
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II.AUFZUG
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2.
Szene
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Feri kommt zur Tür rein, betrunken,
ein Hemdärmel zerrissen. Geht zum Schrank, beginnt seine Sachen in eine
Tasche zu packen. Piroska tritt ein, verwundert.
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piroska
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Feri, was tust du da?
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feri
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G-g-geht d-d-dich n-n-nichts a-a-an?
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piroska
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Feri! Du bist wieder stockbetrunken! Leg dich hin und schlaf deinen
Rausch aus, du kannst dir deine Sachen auch noch morgen früh zurechtlegen.
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feri
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B-b-blöde G-G-Gans! I-i-ich h-h-hau a-a-ab!
Schmeißt Sachen in seine Tasche.
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piroska
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Ungläubig
Feri! Wo willst du hin? In dem Zustand!
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feri
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Sch-Sch-Schnauze! E-e-es i-i-ist a-a-aus! E-e-endg-g-gültig!
Schließt die Tasche, wendet sich zu
Piroska
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piroska
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Stellt sich ihm in den Weg.
Feri, bitte! Was soll der Zirkus? Wozu das Ganze?
Feri rempelt Piroska wütend an, sie
strauchelt, er schwankt zur Tür, blickt zurück
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feri
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N-N-Nutte!
Schmeißt die Tür hinter sich zu.
Piroska sinkt auf das Bett.
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Projektion –
Alptraum
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Piroska verlässt ihr Heim,
sichtbar heimlich.
Piroska schleicht über eine Straße.
Lichter, kreischende Reifen,
Knall, Schwarz.
Piroska im Rollstuhl, ihre Mutter
schiebt sie.
Mutter: „Jetzt siehst du wohl ein, dass du mir
nicht entkommen kannst! Du bist ein hilfloser Krüppel und bis zum Lebensende
auf mich angewiesen!”
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Piroska wacht auf
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piroska
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Entschlossen
Ich gebe
nicht auf! Niemals! Ich bleibe hier und baue mir ein neues Leben auf! Ich
werde frei sein und glücklich! Und werde endlich auf eigenen Beinen stehen!
Ab morgen gehört mir die Welt!
Raus
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II.AUFZUG
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3.
Szene
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Piroska kommt ins Zimmer, ohne Schürze. Brief in
der Hand, liest laut
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piroska
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Meine
Tochter! Dein Brief hat mich nicht überrascht! Ich habe dir ja schon am Tag
deiner überstürzten Hochzeit vorhergesagt, dass deine Ehe unglücklich sein
wird. Du hättest ja hierbleiben können, bei deinen Eltern und nicht in dieses
schmutzige, kommunistische Land ziehen brauchen. Dann würdest du hier schön
leben, mit sicherem finanziellem Hintergrund. Aber du hast dein Studium
abgebrochen um Fremdenführer zu werden inmitten vom Nichts!
Komm heim
und du wirst sehen, was für ein gutes Leben ich dir bereiten kann!
Unterschrift:
Deine Mutter
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Piroska knäult das Papier zusammen und wirft es
in die Ecke.
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Da schau!
Ich kehre NIE wieder unter die Fuchtel meiner Mutter zurück! Hier ist mein
Haus, meine Arbeit, hier warten neue Herausforderungen auf mich!
Ich habe
um mein Haus gekämpft – und Recht bekommen. Ich habe mich um einen
Arbeitsplatz beworben – und ihn erhalten. Ich habe mit Erfolg meinen
Jagdschein gemacht, obwohl ich die einzige Frau war. Ich habe ein
Einbürgerungs-Abitur abgelegt, obwohl ich nur ein paar Monate Zeit zum Lernen
hatte – und ich habe wieder ein Pferd, das mir ein treuer Gefährte sein wird.
Es klingelt
Wer kann
das sein?
Piroska geht raus, kommt mit Anna zurück. Sie
setzen sich an den Tisch
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anna
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Entschuldige,
Piri, dass ich hier so einfach hereinschneie, aber ich habe gerade etwas Zeit
und dachte, ich müsste dich einmal besuchen.
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piroska
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Sehr lieb
von dir! Auch ich habe gerade eine kleine Pause, ansonsten bin ich ja sehr
beschäftigt.
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anna
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Deshalb
bin ich hier. Ich wollte fragen, ob du nicht ein wenig Hilfe gebrauchen
kannst?
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piroska
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Hilfe?
Wobei denn? Und wer sollte mir helfen?
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anna
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Nun – ich.
Als sie Piroskas Gesicht sieht setzt Anna
schnell hinzu:
Sei nicht
böse, Piri, ich habe es nur gut gemeint!
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piroska
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Und warum
ist das dir gerade jetzt in den Sinn gekommen?
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anna
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Nun –
also – letztens habe ich mit dem Lajos geredet – er meinte, du würdest dich
fast zu Tode arbeiten und hättest keine Zeit für niemanden….
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Piroska
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Stoppt Anna mit einer Handbewegung
Anna! Damit
du klar siehst: seit ich geschieden bin, will mir der Lajos den Hof machen!
Und ich denke, er will mich „frei machen“, damit ich mehr Zeit für ihn haben
würde.
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anna
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Aber
Piri!
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Piroska
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Doch,
Anna! Genau das sind seine Hintergedanken!
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anna
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Na ja,
vielleicht hast du Recht. Aber was ist daran schlecht?
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piroska
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Fest
Weil ich
dazu keine Lust habe! Kannst du das nicht verstehen? Ich habe genug von den
Männern! Ich will nicht wider die Dienstmagd eines ungarischen „Herren“
werden! Ich werde mich nicht wieder aufgeben und irgendjemandem unterordnen.
Ich bin eine freie, selbständige, gefühlvolle Frau!
Und will
es auch bleiben!
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anna
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Aber Piri!
Es war doch DEIN Entschluss, dass du in Ungarn bleiben willst!
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Piroska
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Natürlich!
Aber auf meine Art und Weise! Verstehst du?
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anna
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Nicht
ganz. Jede Frau sehnt sich doch nach einem Partner –oder nicht?
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Piroska
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Das habe
ich auch geglaubt, und mir schwer die Finger verbrannt! Deshalb habe ich
beschlossen, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und nur noch meiner
Arbeit, meinem Hobby und meiner Berufung zu leben!
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anna
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Verblüfft
Bist du
verrückt geworden? Deine Berufung? Was ist denn das für ein Gerede?
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Piroska
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Lacht, dann wieder ernst.
Ja, es
kann schon sein, dass du erstaunt bist, aber dennoch: ich spüre, dass ich
etwas tun muss, um Menschen zu helfen, die nicht so glücklich sind, wie wir,
die nicht so stark sind und für ihre Rechte kämpfen können.
In
anderen Ländern steckt man nicht den Kopf in den Sand, wenn von Behinderten
die Rede ist, man schämt sich ihrer nicht, sondern versucht, ihnen ein so
selbständiges und glückliches Leben zu bieten. Mit Verständnis, Hilfe und
Unterstützung!
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anna
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Piri,
Piri! Du bist eine blauäugige Optimistin! Gegen den Strom zu schwimmen birgt
die Gefahr, unterzugehen!
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piroska
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Hab keine
Angst um mich! Mein „germanischer“ Stil, wie du ihn nennst und meine
Seelenkraft wird mir schon helfen!
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II.AUFZUG
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4.
Szene
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Projektion (Szenenumbau) – eine Nummer der Gördülõk
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Vorhang auf.
Leere Bühne. Piroska schaut sich das Ende der
Produktion an (Rita eventuell auch Viktor kommt auf die Bühne, angezogen, wie
in der Projektion) Piroska geht zu Rita, gratuliert.
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piroska
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Das war
eine phantastische Vorstellung! Ich gratuliere ganz herzlich! Ich konnte es
einfach nicht glauben, dass man im Rollstuhl so tanzen kann!
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rita
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Na ja, es
benötigt schon etwas Übung, laufendes Training und angepasste Rollstühle. Wir
sind insgesamt 15 Tänzer aus ganz Ungarn und sitzen aus verschiedenen
Ursachen im Rollstuhl. Aber gemeinsam haben wir die Freude an der Bewegung
und den Wunsch auf Erfolg.
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piroska
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Ich habe
in verschiedenen Ländern gelebt und gearbeitet, kenne deshalb die Möglichkeiten
der Behinderten ein wenig und muss sagen, hier in Ungarn wird am wenigsten
für sie getan.
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Rita
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Das ist
leider richtig. Bei uns steckt Integration und Toleranz von Behindert noch in
den Kinderschuhen. Von Barrierefreiheit gar nicht zu sprechen.
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piroska
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Eben zur
Verbesserung der gesllschaftlichen Akzeptanz plane ich im Sommer eine
Veranstaltung, bei der sich Menschen mit und ohne Handicap, Künstler,
Sportler, Kunsthandwerker, Amatöre und Profis ungezwungen treffen können –
als erstem Schritt zu mehr Toleranz und Integration.
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rita
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Eine grossartige Idee – aber schwer zu
verwirklichen.
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piroska
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Das ist
mir bewußt. Aber ich vertraue darauf, Sponsoren zu finden, Unterstützung und
Helfer – und außerdem sind meine Durchhaltevermögen und meine Energie
grenzenlos.
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rita
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Lacht.
Das sehe
ich. Sie haben das aber auch nötig.
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piroska
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Ich hätte
noch eine Frage – oder besser, eine Bitte: würden Sie nicht an meiner
Veranstaltung teilnehmen wollen?
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rita
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Sehr
gerne!
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piroska
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Dann
würde ich vorschlagen, dass wir uns bald an einem ruhigen Ort treffen und die
Einzelheiten besprechen. Aber schon jetzt ganz herzlichen Dank!
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Rita
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Gerngeschehen!
Ich warte auf Ihren Anruf!
(mit Viktor) ab.
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piroska
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Die
Verwirklichung meines Traum rückt immer näher!
Träumerisch
Ein
Historienspiel, Amatöre, Profis, Musik, Volkstanz, Falkner, Bogenschützen,
Husaren, Blindenhunde, Rollstuhltänzer, Kunsthandwerker, Schauspieler,
Sportler, mit und ohne Handicap – für jeden etwas dabei….
Alle
Teilnehmer und Helfer erhalten ein freies Mittagessen, Gedenktafeln, eine DVD
von der Veranstaltung, ein kleines Geschenk… Und das Plakat – ja, das Plakat
wird das siegreiche Werk eines Mal-Wettbewerbs unter Schülern.
An die
Arbeit!
Piroska ab.
Vorhang.
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II.AUFZUG
5.
Szene
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Projektion – KÉZ A
KÉZBEN
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II.AUFZUG
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6.
Szene
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Vorhang auf.
Piroska mit Handy geht im leeren Raum auf und
ab.
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piroska
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Mutter,
Mutter! Hör nur einmal auf mich, bitte! Ich bin sehr beschäftigt, habe
unheimlich viel zu tun, habe gerade mit viel Erfolg meine erste Veranstaltung
abgewickelt, und bin dabei, die nächste zu planen…
Pause
Mir geht
es gut! Sehr gut sogar! Warum sollte ich zurückkommen?
Pause
Ich habe
keine Probleme! Ich bin geschieden – na und? Ich habe eine Arbeit, die mir
Spass macht, habe Ziele, Träume...
Pause
Ich
möchte hier die Lage der Behinderten verbessern, ich spreche mehrere
Sprachen, weiss, wie es in anderen Ländern diesbezüglich steht…
Pause
Was? Du
wagst diese grossartigen Menschen als „Krüppel“ zu titulieren?
Kennst du
denn auch nur einen Behinderten? Glaub mir, sie haben sich ihr Los nicht
ausgesucht! Und denk immer daran, wie schnell es gehen kann und jeder von uns
kann zum „Krüppel“ werden, ein Unfall, eine Krankheit, und schon ist es
geschehen….
Pause
Weil
irgend jemand in ihrem Namen, zu ihren Gunsten handeln muss – und das bin ICH!
Pause
Nein,
Mutter! Ich bleibe hier! Das hier ist meine HEIMAT! Hier leben meine Freunde,
auch wenn DU behauptest, es gäbe keine Freunde – dann nur, weil du dir nie
welche gemacht hast! Ich bin hier GLÜCKLICH – auch wenn du dir das nicht
vorstellen kannst….
Pause
Nein,
Mutter! Komm nicht hierher! Wir haben nichts miteinander zu besprechen! Du
versuchst umsonst, mich „bekehren“ zu wollen! Ich werde meine Meinung nicht
ändern – niemals! !
Handy aus. Seufzt.
Meine
Mutter wird sich auch nie ändern, nur ihr Wille zählt, nur ihre Gedanken sind
richtig, andere Menschen dürfen keinen eigenen Willen haben, kein eigenes
Leben führen! Aber ich bin und bleibe frei!
Ab.
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II.AUFZUG
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7.
Szene
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Projektion –
Alptraum
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Piroska verlässt ihr Heim,
sichtbar heimlich.
Piroska schleicht über eine
Strasse.
Lichter, kreischende Reifen,
Knall, Schwarz.
Piroska im Rollstuhl, ihre Mutter
schiebt sie.
Mutter: „Jetzt siehst du wohl ein, dass du mir
nicht entkommen kannst! Du bist ein hilfloser Krüppel und bis zum Lebensende
auf mich angewiesen!”
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Vorhang.
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II.AUFZUG ENDE
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Während der ungarischen Musik Umbau, Kostümwechsel
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III.
AUFZUG
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1.
Szene
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Vorhang auf.
Piroska (rothaarig!) schläft in ihrem Zimmer.
Schmales Bett, Kleiderschrank, Bücherregale. Nachttisch, darauf Handy und
Lampe, daneben auf einem Stuhl Kleidung, darunter Schuhe. Sie wacht auf,
erkennt, dass sie nicht mehr laufen kann.
|
|
piroska
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Mein Gott!
Was ist das? Was ist geschehen? Ich kann meine Beine nicht mehr bewegen!
Greift zum Handy.
Notarzt?
Bitte kommen sie, ich bin plötzlich gelähmt aufgewacht….daheim im Bett…..
Meine Adresse lautet….
Pause
Nein,
nein! Kein Unfall, keine bekannte Krankheit…. Glauben sie mir, es ist im
Schlaf geschehen…
Pause
Guter
Mann, das ist kein Witz, sondern ein Notfall!
Pause
Gut, ich
warte.
Legt das Telefon ab. Versucht, sich anzuziehen,
endlich gelingt es.
Vorhang
|
|
|
|
|
|
III.AUFZUG
|
|
|
2.
Szene
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Vorhang auf.
Kati sucht in Piroskas Zimmer, packt Kleidung in
einen Koffer, usw.
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|
kati
|
Mein
Gott, ich kann es noch immer nicht fassen, was mit meiner Freundlin geschehen
ist! Sie, die immer so ein bewegtes Leben gelebt hat, liegt im Krankenhaus
und wird nie wieder laufen können! Und was für eine Finte des Schicksals –
kein Reitunfall, kein Motorrad- oder Autounfall, keine Tropenkrankheit, Lyme
oder sonstiges – nein im Schlaf und ohne Befund ist es geschehen! Unfaßbar!
Steht am Bücherregal, nimmt ein paar Bücher
raus, in eine Tasche
Aber sie
trägt es mit Fassung, das muß man anerkennen. Sie kann sogar darüber Witze
reissen und schmiedet Pläne, für die Zeit nach dem Krankenhaus.
Telefon klingelt. Kati zögert, dann Hörer auf.
|
|
|
Ja bitte!
Pause
Ich bin
Kati, Piroskas Freundin.
Pause, leise zu sich
Mein
Gott, das kann ICH ihr nicht sagen.
Lauter
Verzeihung,
aber Ihre Tochter ist zur Zeit nicht hier, ich werde ihr ausrichten, dass sie
ihre Mutter anrufen soll.
Pause
Sie
musste für ein paar Tage verreisen – ich bin nur hergekommen um – um – die
Blumen zu giessen.
Pause
Ich werde
es ihr ausrichten. Auf Wiederhören.
Tiefer Seufzer
Das war
hart. Und wie hart wird es erst, wenn die Piri ihrer Mutter sagen muss, was
geschehen ist.
|
|
|
Packt weiter
|
|
|
Ich weiss
gar nicht, was sie alles benötigt. Und wo wird sie leben? Die Wohnung hier kann ja nicht umgebaut
werden und einen Lift gibt es sowieso nicht. Und warum soll gerade ich im
Internet einen guten Aktiv-Rollstuhl suchen? Ich hab doch keine Ahnung, was
gut und nicht gut ist. Aber die Rita wird mir hoffentlich helfen können. Was
für ein Glück, daß die Piri schon vorher ein paar Leute kennengelernt hat,
die ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen können.
Türklingel. Kati öffnet, mit Brief in der Hand
zurück sengetnek.
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|
|
Rechnungen
und nochmal Rechnungen. Das muss auch noch organisiert werden. Und ich werde
mich mal umschauen, wo eine Bank ist und Geschäfte, in die sie mit dem
Rollstuhl gelangen kann.
|
|
|
Beendet langsam das Packen, nur bei den Schuhen
weiss sie nicht so recht, da alle hochhackig
|
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|
Ajaj!
Hier gibt es Probleme! Piri kann keine hochhackigen Schuhe im Rollstuhl
gebrauchen – und hier sind nur solche…
Überlegt
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Wenn ich
noch schnell ins Schuhgeschäft gehe, und ihr ein Paar flache kaufe, kann ich
die dann gleich mit ins Krankenhaus bringen.
So, ich
hoffe, das ist alles.
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|
Schaut sich um, dann mit Koffer und Tasche ab.
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Vorhang
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III.AUFZUG
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3.
Szene
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Vorhang auf.
Piroska im Rollstuhl vor dem Schreibtisch.
Telefoniert. Im Hintergrund 2 Türen.
|
|
Piroska
|
Mutter,
ich bitte dich! Mir fehlt nichts, ich kann nur eben nicht nicht mehr gehen!
Ich habe ein umgebautes Auto, einen guten Rollstuhl, ich arbeite, gehe mich
amüsieren, reite, schwimme und nehme sogar Gesangstunden! Ich bin voller
Pläne und Ziele!
Pause
Ich komme
NICHT „heim“! Kannst du das noch immer nicht verstehen? Hier ist meine
HEIMAT! Ich bin selbständig, habe meine Freunde, lebe mein Leben!
Pause
Du hast
mich nie verstanden und wirst mich nie verstehen. Es hat immer nur das
gegolten, was DU dachtest, du hast allen deinen Willen aufgezwungen – und
behauptet, das geschähe zu deren Besten! Aber du hast NIE gefragt, was mir
Spass machen würde, ich durfte mich nicht entfalten, hatte nicht die
allerkleinste Freiheit – und jetzt sagst du ich wäre UNDANKBAR? Weil ich mein
eigenes Leben leben will? Weil du
nicht zugeben willst, dass ich selbst als „Krüppel“, wie du mich so schön
nennst, ohne deine Hilfe auskomme? Ich will dir eines sagen: ich bin lieber
undankbar, als deine Gefangene!
Adjõ,
Mutter!
Handy aus. Es klingelt an der Tür. Piroska
öffnet. Kati kommt. Küsschen. Kati setzt sich auf das Bett, Piroska kommt
neben sie.
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|
kati
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Hallo
Pirike!
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piroska
|
Hallo
Kati! Ich habe dich schon erwartet!
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kati
|
Was ist
los? Du siehst so verstört aus!
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piroska
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Ach
nichts, nur meine Mutter hat mich angerufen und wir haben uns gestritten –
wie immer.
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Kati
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Verständnisvoll.
Wollte
sie wieder, dass du zu ihr ziehst?
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piroska
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Nickt.
Genau,
und immer gewalttätiger. Sie will mir einreden, so wie sie es früher gemacht
hat, dass ich zu nichts nutze bin, dass ich ohne sie nichts machen kann, dass
ich auf ihre Hilfe angewiesen bin und dass ich als „Krüppel“ wertlos bin.
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|
|
|
|
kati
|
Sie nennt
dich „Krüppel“? Ihre eigene Tochter? Unerhört!
|
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|
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piroska
|
Na ja, da
kann man nichts machen! Sie ist und bleibt halt, wie sie ist und mit dem
Alter wird sie nur noch schlimmer und despotischer. Ich kann nur hoffen, dass
sie aufhört, mir so unnütze Sachen zu schicken, wie früher die
„Oma-Unterwäsche“.
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|
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kati
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„Omaunterwäsche”
?
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piroska
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Lacht
Ja weisst
du, so lange, dicke, schreckliche Unterhosen, wie sie vor dem Krieg getragen
wurden.
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kati
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Und so
was hat dir deine Mutter geschickt?
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piroska
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Genau.
Ich habe ihr zwar immer gesagt, damit aufzuhören, da ich sie sowieso nicht
anziehe – ohne Erfolg.
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kati
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Und was
hast du mit den Unterhosen gemacht??
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piroska
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Natürlich
in die Sammlung gegeben – und mir französische Mode gekauft!
Beide lachen.
Kati,
möchtest du einen Kaffee oder Tee?
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kati
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Weder
noch, wir sollten uns eher beeilen, denn die anderen warten sicher schon auf
uns im Restaurant.
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Piroska
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Dann
ziehe ich mich schnell um.
Anderes Oberteil.
Gehen wir
in das neue, barrierefreie, wo wir zuletzt so gut bedient wurden?
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|
kati
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Klar. Ich
möchte mich nicht nochmal blamieren, wie damals, als du nicht in das
Restaurant konntest, weil man mir zwar am Telefon gesagt hatte, es wäre
„barrierefrei“, und es sich dann herausstellte, dass nichtdestotrotz mehrere
Stufen vorhanden waren.
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|
piroska
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Mach dir
nichts draus, ich mache solche
Erfahrungen jeden Tag. Da gibt es Kulturhäuser, wo der Zuschauerraum gut mit
dem Rollstuhl zu erreichen ist, es aber kein WC für uns gibt, und wenn doch,
dann kann man es nicht abschliessen. Bei Open-Air Veranstaltungen stehen
viele mobile WC-s herum, es würde den Veranstaltern aber nicht einfallen,
auch nur eines hinzustellen, welches Rollstuhlfahrer benutzen können.
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|
kati
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Das
verstehe ich gut, denn auch ich schaue mir ja die Dinge erst seit ich dich
kenne aus dieser Perspektive an. Bis dahin ist es mir nicht aufgefallen, wie
viele Barrieren es für Menschen, die nicht laufen können, in einer Stadt gibt.
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piroska
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Man
sollte nicht immer nur über Rollstuhlfahrer reden, wenn es um
Barrierefreiheit geht. Kinderwagen und rollende Einkaufstaschen von älteren
Menschen sollten ebenso dazugezählt werden! Und dann haben wir Blinde und
Gehörlose und so weiter, welche alle besondere Ansprüche haben, die, wenn sie
erfüllt würden, ihnen ein möglichst selbständiges Leben ermöglichen würden.
Was
glaubst du, warum ich mir gleich nach meiner Lähmung einen Aktiv-Stuhl gekauft
habe? Weil ich sonst nirgendwohin – noch nicht einmal zu meinem Arzt,
geschweige denn zu meiner Arbeit oder zu meinen Hobbies – gekommen wäre.
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|
kati
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Deshalb
kämpfst du also so für die Rechte der Behinderten?
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Piroska
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Nein! Ich
habe schon für ihre Rechte gekämpft, als ich noch laufen konnte. Jetzt sind
die eigenen Erfahrungen nur ein Zusatzpunkt.
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kati
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Ich
bewundere dich, wie du so fröhlich sein kannst und so ausdauernd für die
Rechte anderer eintrittst. Ich hätte wahrscheinlich schon lange aufgegeben.
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piroska
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Man darf
niemals aufgeben! Es gibt immer einen Ausweg, auch wenn es manchmal ein Umweg
scheint. Im Leben gibt es immer schöne und gute Dinge, für die es sich zu
leben lohnt. Als gesunder Mensch hatte ich mehr schlechte Erfahrungen, als
jetzt und habe meine Lektion gelernt: freue dich an den kleinen Dingen und
vergiss die schlechten! Und dabei helfen natürlich auch gute Freunde!
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kati
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Als du in
den Rollstuhl gekommen bist, haben sich da nicht viele von dir abgewandt?
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piroska
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Ganz im
Gegenteil! Ich habe sogar noch mehr neue Freunde gewonnen. Aber dafür muss
man natürlich auch selbst offen sein, darf nicht mit seinem Schicksal hadern
– wer sich verschliesst, der gewinnt keine Freunde, selbst wenn er gesund
ist! Eine positive Einstellung zum Leben ist das Wichtigste!
Und jetzt
auf zum Mittagessen!
Beide raus.
Vorhang
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III.AUFZUG
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4.
Szene
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Vorhang auf.
Piroska kommt ins Zimmer.Schönes Nachthemd,
summt „Strangers in the night“. Ordnet was auf dem Tisch, nimmt ein Buch aus
dem Regal, legt sich ins Bett, liest, schläft ein.
Vorhang
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Projektion (Bauten abbauen)
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Piroska zu Pferd, im Theater, mit
Freunden, beim Gesangsunterricht.
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III.AUFZUG
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5.
Szene
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Vorhang auf. Durchsichtiger Vorhang in der Mitte
der Bühne, dahinter Rita in Kostüm für Auftritt. Piroska wartet in der
Deckung.
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rita
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Pirike! Auf,
in einer Minute ist dein Auftritt!
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piroska
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Kommt zögernd aus der Deckung, auf die Mitte der
Bühne.
Ich habe
Lampenfieber, was ist, wenn mir die Stimme versagt?
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Rita
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Sing so,
wie du es geübt hast, deine Gesangslehrerein hat dir ja versichert, dass du
eine schöne Stimme hast. Hab Selbstvertrauen! Denk an nichts!
Vor den Vorhang und kündigt Piroska an.
Sehr
verehrtes Publikum! Zu Anlass der heutigen Gördülõ-Weihnachsgala möchte ich
Ihnen unser neuestes Mitglied vorstellen: Piroska, die mit „Strangers in the
night“ von Frank Sinatra ihr Debüt gibt!
Applaus, Rita ab, durchsichtiger Vorhang hoch,
Piroska in der Mitte – singt
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Piroska
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Strangers in the night
Exchanging glances
Wandrin’ in the night
What were the chances
We would sharing love
before the night was throu’
Something in your eyes was so inviting
Something in your smile was so exciting
Something in my heart told me I must have you
Strangers in the night
Two lonely people
We were strangers in the night
Up to the moment when we said our first hallo
Little did we know
Love was just a glance away
A warm embracing dance away
and
Ever since that night
We’ve been together
Lovers at first sight
In love forever
It turned out so right
For strangers in the night
Love was just a glance away
A warm embracing dance away
Ever since that night
We’ve been together
Lovers at first sight
In love forever
It turned out so right
For strangers in the night.
Dooby dooby doo….
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Applaus, Piroska verbeugt sich, hinten ab.
Vorhang
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Pult und Fahnen auf die Bühne
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IV.AUFZUG
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6.
Szene
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Vorhang.
Piroska an einem Vortagspult. EU und ungarische
Fahnen im Hintergrund
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Piroska
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Sehr
verehrte Damen und Herren! Ich halte heute meine Rede, um sie auf die
Situation von Menschen mit Handicap aufmerksam zu machen, Sie auf die leider
noch immer bestehende Diskrimination und mangelnde gesellschaftliche Toleranz
hinzuweisen, ebenso, wie auf die viel zu langsam voranschreitende
Barrierefreiheit!
Aber
neben den vielen schlechten Nachrichten möchte ich meinen behinderten
Mitbürgern einen ganz persönlichen Rat auf den oft schwierigen Weg geben: Man
darf niemals aufgeben, sondern muss kämpfen, die Stimme erheben, Beispiele
geben für Glück und Erfüllung im Leben!
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Projektion – negative Beispiele, Hindernisse, dann positive
Beispiele, Parasport, Gördülõk, Blindenhunde, usw.
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Piroska
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Ich danke
Ihnen für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung und versichere Ihnen, dass ich
auch in Zukunft meine ganze Kraft für die Interessen der Behinderten
einsetzen werde – aber jetzt ruft meine Leidenschaft und ich kann es kaum
erwarten, im Sattel meines treuen Pferdes die Wunder, die Kraft und die Ruhe der
blühenden Landschaft inspirierend in mich aufzunehmen und für meine kommende
Reitshow zu üben!
Applaus. Piroska ab. Vorhang. Vorhang auf.
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ENDE – Verbeugungen
Eventuell: Treffen / Diskussion
mit dem Publikum
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